Ist der Pflichtteil vermeidbar?

Der Rechtsanspruch auf die Mindestbeteiligung am Erbe ist grundsätzlich vermeidbar. 

Folgende Optionen bestehen für Erblasser:

  • Pflichtteilsentzug (unter bestimmten Voraussetzungen möglich)
  • Pflichtteilsverzicht mit dem Pflichtteilsberechtigten vereinbaren
 

Pflichtteilsverzicht

 

Der Pflichtteil lässt sich am einfachsten umgehen, indem Erblasser und Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren. Der Erbe verzichtet dadurch, oft auch im Gegenzug durch eine vereinbarte Abfindung, vertraglich auf seinen Mindestanteil im späteren Erbfall.

Erben können entscheiden, ob sich der Verzicht auf den gesamten Pflichtteil oder nur einen Teil des Pflichtteils beziehen soll. Wählen sie einen uneingeschränkten Pflichtteilsverzicht, verlieren Sie folgende Ansprüche:

  • Ausgleichspflichtteile nach § 2316 BGB,
  • Pflichtteilsrestansprüche,
  • Pflichtteilergänzungsansprüche,
  • Verteidigungsrechte nach §§ 2306, 2308 Abs. 2 §§ 2319, 2328 BGB.

Hier wird entsprechend auf einzelne Nachlassgegenstände oder Teile des Vermögens verzichtet – welche dann nicht in die Berechnung des Pflichtteils einfließen.

Beschränkungen können zum Beispiel Beteiligungen an Betriebsvermögen, Grundstücken oder Beschränkungen des Pflichtteilwertes beziehen. Durch eine beschränkte Pflichtteilsverzichtserklärung erhöht sich die Pflichtteilsquote der anderen Erben nicht. 

Ein Pflichtteilsverzicht gilt allerdings nur für den Pflichtteil. Ein Erbverzicht hingegen bestimmt den Verzicht auf das gesamte Erbe. Der Verzichtende gibt also bei einem Erbverzicht sein gesetzliches Erbrecht auf und verliert damit jegliche Erbrechte – auch das Pflichtteilsrecht. Ein Erbverzicht kann nicht weiter eingeschränkt werden. Es kann also nur auf das gesamte Erbe verzichtet werden, nicht aber auf einzelne Teile.

Wann ist ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll?

Ein Berliner Testament der Eltern kann ein guter Grund für einen Pflichtteilsverzicht sein. Das Berliner Testament bestimmt, dass die Eheleute sich im Todesfall gegenseitig als Erben einsetzen. Durch eine Pflichtteilsverzichtserklärung mit den Kindern können die Eltern dabei sichergehen, dass der Ehepartner vorerst abgesichert ist und sich keinen Zahlungsforderungen der Kinder stellen muss.

Des weiteren kann ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll sein, wenn nur auf bestimmte Teile des Erbes verzichtet werden soll. 

Pflichtteilsentzug

Der Pflichtteilsentzug hingegen ist gemäß deutschem Erbrecht nur möglich, wenn pflichtteilsberechtige Person sich in einem extremen Maß schuldig gemacht hat, z.B. Straftat mit Haftstrafe oder anhaltender körperlicher Missbrauch am Erblasser. Gründe für die Pflichtteilsentziehung und Nachweise müssen direkt im Erbvertrag bzw. Testament hinterlegt werden.

Erbunwürdige Angehörige verlieren ihren Anspruch auf das Erbe und die Mindestbeteiligung am Nachlass. Diesen Anspruch beziehungsweise Entzug festzustellen ist allerdings meistens schwieriger als in der Theorie gedacht.

Zunächst einmal muss der Entzug im Testament klar und nachvollziehbar dargelegt werden. Dazu müssen mit dem Testament Beweise wie Zeugenaussagen, polizeiliche Dokumente oder ähnliches hinterlegt werden, die den Entzug rechtfertigen. Es darf an der Darstellung, die die Begründung für den Pflichtteilsentzug ist, gem. § 2336 BGB keine Zweifel geben.

Hier ist eine anwaltliche Beratung empfehlenswert, um das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung des Pflichtteilsentzugs zu minimieren bzw. Alternativen zu finden.

 

Was sind Voraussetzungen für einen Pflichtteilsentzug?

 

Da der Pflichtteil ein verfassungsmäßiger Anspruch ist, der im deutschen Erbrecht verankert ist, braucht ganz besonders schwerwiegende Gründe, um den Entzug des Pflichtteils durchsetzen zu können.

Folgende Voraussetzungen müssen zutreffen:

  • versuchte Tötung des Erblassers oder eines Angehörigen
  • Verbrechen oder schweres Vergehen
  • Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht: Die pflichtteilsberechtige Person hätte dem Erblasser helfen können, hat dies aber unterlassen
  • pflichtteilsberechtige Person wurde zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt
  • pflichtteilsberechtige Person wurde aufgrund einer Straftat oder einer ähnlich schwerwiegenden Tat in Psychiatrie oder ähnlicher Einrichtung untergebracht
  • schwerwiegende körperliche Misshandlungen über einen längeren Zeitraum

Ein Pflichtteilsentzug kommt nicht nur in Frage, wenn der Erblasser direkt von einer der oben genannten Verfehlungen betroffen ist. Die Pflichtteilsentziehung ist auch denkbar, wenn der Ehepartner des Erblassers, ein anderer Abkömmling oder eine nahestehende Person wie Lebenspartner, Stiefkinder, Pflegekinder oder die Kinder des Lebenspartners betroffen sind, gem. § 2333 Abs. 2 BGB.

 

Anderweitiger Pflichtteilsverlust

 

Auch Angehörige, die ihren Anspruch nicht rechtzeitig geltend machen, verlieren ihr Pflichtteilsrecht. Das Recht verjährt innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Jahren. Die Frist beginnt, sobald Angehörige vom Erbfall und ihrem zu geringen Erbteil erfahren.

Neben der regulären Verjährungsfrist ist auch eine maximale Frist von 30 Jahren ab Todeszeitpunkt des Erblassers zu berücksichtigen.

strategische_Planung

Lässt sich die Beteiligung am Erbe nicht verhindern, können Erblasser den Anspruch der jeweiligen Familienangehörigen zumindest verringern. Möglich ist das, indem sie ihr Vermögen schon zu Lebzeiten nach eigenem Wunsch verschenken. Dadurch reduzieren sie den Gesamtwert ihres späteren Erbes – und damit auch einen möglichen Pflichtteil. Hier gilt es einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berücksichtigen der speziell für Enterbte zur Verfügung steht. 

Als Enterbter oder zu gering Bedachte Erbe können alle Schenkungen der letzten 10 Jahre zum Gesamterbe hinzurechnen lassen. Dadurch erhöht sich ihr Mindestanteil am Erbe wieder.

Je länger eine Zuwendung zurückliegt, desto weniger ist sie für die Höhe des Ergänzungsanspruchs maßgeblich. Schenkungen, die länger als 10 Jahre zurückliegen, werden laut Erbschaftsrecht in Deutschland nicht mehr berücksichtigt.

Entsprechend können diese nicht mehr zum Ergänzungsanspruch angerechnet werden. Es lohnt sich also, sich rechtzeitig um die gewünschte Verteilung zu kümmern. Möglich wäre auch der Verkauf von Wertgegenständen wie dem eigenen Haus, um im Gegenzug eine Leibrente zu erhalten. Da die Immobilie in diesem Fall verkauft wurde, entstehen für die pflichtteilsberechtigten Personen keine nachträglichen Ergänzungsansprüche.

Wir stehen Ihnen hier gerne beratend zur Seite, um finanzielle Auswirkungen zu analysieren und Lösungswege bereitzustellen. 

Hier können wir auf ein Netzwerk von Anwälten, Steuerberatern und Notaren zurückgreifen, die uns in speziellen Fragen unterstützend zur Seite stehen. Kommen Sie gerne auf uns zu und vereinbaren einen kostenfreies Erstgespräch.